Unterschied Teezeremonie zu Teeweg Der Zen-Weg des Tee

Auf den Unterschied von Teeweg (Zen-Weg des Tee, Chado) zur Teezeremonie (Chanoyu) einzugehen, scheint heutzutage hilfreich zu sein. Oft wird beides unzutreffend zusammengewürfel oder gar für dasselbe gehalten.

Die japanische Teezeremonie ist, im Gegensatz zum Teeweg, als akademische Kunstform zu verstehen, als Freizeit-Event mit Folklore-Touch, starren Regeln und kostenpflichtigen Diplomen. Mitunter sogar völlig unzeitgemäß mit aristokratischem Gehabe, hübschen Kimonos, eleganten Bewegungen, antrainierter Höflichkeit und kunstvoll drapierten Blumen (Ikebana statt Teeweg-gemäßer Chabana).

Der Teeweg als Zen-Weg wurde, konträr zur Teezeremonie, durch zenbuddhistische Meister wie Ikkyu Sojun (1394-1481) und seinen Schüler Juko Murata (1423-1502) als Zen in den Alltag eingeführt (vgl. Literatur »Die zehn Ochsen-Stufen«). In Zeiten von chaotischen Missständen und Clankriegen wurde dieser Teeweg zu einem Ruhepol für alle gesellschaftlichen Schichten, da Standesunterschiede im Teeraum keine Bedeutung mehr hatten.

Geschichtlicher Hintergrund Teeweg als nationaler Drehpunkt

Rund 260 Jahre nach Rückkehr des legendären Zen-Meister Dogen (1200-1253) begann Japan sich ein bis dato rein chinesisches Tee-Ritual der Fürsten zum eigenen nationalen Drehpunkt umzuformen. Nach der Heian-Periode, in der Kyoto (Heian) Hauptstadt geworden war, erstarkte der Kaufmannsstand und bevorzugte den schlichten Zen-Tee der buddhistischen Mönche. Obwohl zum Teil wohlhabend und somit durchaus in der Lage, teure chinesische Objekte zu erwerben, wurden dennoch zunehmend japanische Utensilien bevorzugt und deren Herstellung gefördert, eine neue, eigene japanische Identität geformt.
Nach zum Teil überladenen und stark verzierten Keramiken, Lackwaren, Bildern und Bronzen aus China fanden nun japanische Kalligrafien der Zen-Meister und die einfachen Alltagsschalen koreanischer Handwerker das Interesse dieser Kreise. In Zeiten großer Not und zugleich hochgradig dekadenter Völlerei, fehlender Gesamtperspektive und engstirnigem Schmalspur-Denken wandte man sich in Japan wieder den inneren Werten und Strukturen zu. Viele veranlasste es dazu, an stillen Orten und ohne Protz bei unscheinbaren Teetreffen — und nicht Teezeremonien — der wahren Tiefe des Seins nachzuspüren.

Japanräume und Wabicha Der erste Teeraum

Seit durch Buddha bekannt ist, dass alle Menschen weltweit ihre tatsächliche Urbeschaffenheit realisieren können, da sie von Anfang an in ihnen verankert ist, dienten diese innigen Teezusammenkünfte dem gemeinsamen Erreichen eben dieser urmenschlichen Kerneigenschaft. Denn das Überwinden dualistischer Denk- und Handlungsweisen ermöglicht es, friedvoll in Bereiche vorzudringen, von denen Platon, Einstein und Heisenberg nicht einmal träumen konnten.

Blick in den ersten japanischen Teeraum Dojinsai, vereinfachte Zeichnung
Blick in den ersten Teeraum Dojinsai (vereinfachte Darstellung)

Mehr und mehr wurden damals also selbst unscheinbarste Details bedacht und geformt. So entstand 1487 der erste Teeraum Dojinsai auf dem Gelände des Ginkakuji. Der Kontakt zum Shogun Yoshimasa (1436-1490) ermöglichte Juko die Planung und den Bau innerhalb dieser großen Anlage, die sich der Shogun als Altersruhesitz bauen ließ. Dieser Teeraum wurde und ist das erste sichtbare Zeichen dieser neuen Weltsicht. Yoshimasa war Nachkomme des Shogun Yoshimitsu (1358-1408), der den Goldenen Tempel Kinkakuji (1397) hatte bauen lassen.

Schon kurze Zeit später entstanden überall solche Orte der Begegnung. Das Zen der Mönche wurde Teil des öffentlichen Lebens und belebte viele Handwerksbereiche. Das Besinnen auf eigene, japanische Fähigkeiten und Vorlieben hatte nun einen Nährboden und eine Wachstumsrichtung. Ein kreatives Schaffen nach jahrelangem Üben der Überwindung des Dualismus brachte vollkommen neue, noch nie zuvor gesehene Gärten und Objekte hervor, die heute als klassische Japangärten, Japanräume und japanisches Design bekannt sind. Das gesamte tägliche Leben erhielt vitalisierende Impulse und einte alle Menschen über alle Grenzen hinweg. Die schlichte Art des Zen-Tee (Wabicha) war in der Lage, Gegensätze zu überwinden.

Japanräume für Schulungen Teeräume sind Übungsorte

Alle japanischen Teeräume sind seither einerseits Dojo, Weg-Orte, also Übungsorte, um den Dualismus (das ICH-und-die-Welt-Denken) zu überwinden. Andererseits sind sie aber auch Orte, um von der ersten Minute an das Erfahrene direkt einzubringen. Über Bild, Blume, Duft, Speisen, Art der Schale und des Tees sowie vielem anderen wird eine stille Verbindung aufgebaut. Heutzutage ist dieser Teeweg weltweit ‚erlernbar‘.
Wird hierbei tunlichst darauf geachtet, keineswegs ein Tee-Ritual daraus zu machen, gelingt mit der Zeit ein intensiver und tiefgreifender Tee. Hierbei sind seit jeher u.a. Atemtechnik und das Lösen von Koan (scheinbar absurde, aber lösbare Zen-Rätsel) unabdingbare Hilfsmittel. Die üblichen vier Entscheidungsmethoden:

  1. ein zu schön, zu laut, zu auffällig oder
  2. zu hässlich, bewusst schlicht etc. oder
  3. ein Kompromiss / Mittelding von allem und auch
  4. eine ist-egal-Methode

lernt man zu vermeiden. Übt man sich hierin, auch und gerade als moderner Mensch, beugt man einem Burnout, Herz-Infarkt und anderem vor. In einer Zeit sinnentleerter Jobs, unsinnigem Aktionismus, radikaler Weltsicht, gewaltigen Klimaproblemen und ähnlichen Herausforderungen stellt sich uns allen überdeutlich die Frage: Was ist unsere wahre innere Möglichkeit? Und wie können wir diese, unsere Urbeschaffenheit realisieren oder freilegen?

Ein Teeschüler erhält im Teeraum Teeweg-Unterricht durch Teemeister Knipphals
Teeweg-Unterricht eines Teeschülers im Teeraum bei Meister Knipphals

Der Teeweg Ein alltagstauglicher Zen-Weg

Neben meditativem Zazen (Sitzen) ist der recht alltagstaugliche Teeweg mit seinen Bewegungsabläufen geeignet, die erwähnten Möglichkeiten der Nicht-Zweiheit zu erschließen, da er im heute üblichen Tagesablauf gut anwendbar ist. Auch, weil ihm hierbei politische, religiöse und sonstige Ambitionen fehlen. Er verkörpert die gebotene Neutralität in einer modernen, aufgeklärten Welt.
Das Nutzen / Üben dieses Weges führt zur erhofften Ausgeglichenheit und bringt das Hamsterrad zum Stillstand. Gier, Hass, Fanatismus, Verzweiflung und der unsägliche falsche Umgang mit allem finden ein Ende. Wir legen sozusagen die uralte Fähigkeit frei, die heute so drängenden Aufgaben (Klima, Ernährung, Orientierung, Gewalt, u.v.m.) lösen zu können. So finden wir die zeitlosen Antworten auf Fragen der Zeit. Mit einer ähnlich zeitlosen Gültigkeit wie Buddha, Daruma, Dogen, Ikkyu, Joo, Rikyu, Sengai oder die Meister unserer Tage wie Nagaya, Hisamatsu, Ozeki, Kuramoto, Kanno, Tokuzen und viele andere.

Durchschreiten wir die zehn Ochsenstufen (siehe Literatur) und erkennen all die Illusionen, können wir sie loslassen. Die Bleigürtel aus Meinungen, niedlichem H2O-Wissen und Schein-Zielen lösen sich auf und wir können unbehindert im Ozean schwimmen. Friedvoll, mit Tee, der Musik von Bach und Pink Floyd und der Kunst eines Sesshu oder Tanyu.


M. Sôtai Knipphals
Teemeister der Teeweg-Schule Carpe Diem

www.teeweg-schule.de

»Tee-Geschichten« Buch Cover

Das Tee-Geschichten Buch Alte und neue Erzählungen
aus dem Teeraum

Eine Sammlung heiter besinnlicher Anekdoten, erstmals in einer westlichen Sprache … So, wie sie sich seit Jahrhunderten in den Teeräumen Japans und mittlerweile auch international zwischen Lehrer und Schüler ereignen.

Das Buch ist erhältlich in der Teeweg-Schule, im Buchhandel und im ITCHOO Onlineshop.

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